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Nikola Dimitrov
Geboren: 1961 in Mettlach/Saar
Malerei
Leben und künstlerische Entwicklung
Nikola Dimitrov studierte von 1979 bis 1988 an der Hochschule für Musik Saar mit dem Abschluss der Konzertreife als Pianist, parallel beschäftigte er sich mit verschiedenen malerischen Ausdrucksformen. Aus dem Ansatz der Musik als inspirierende Quelle entwickelt er seit 1993 seine Bilder, die in zahlreichen Einzel- und Gruppenausstellungen gezeigt werden. Nikola Dimitrov lebt und arbeitet in Heusweiler bei Saarbrücken und in Köln.
Die künstlerische Entwicklung im Spannungsfeld zwischen Musik und Malerei drückt sich in den Bildern von Nikola Dimitrov erstmals 1993 aus. Diese frühen Arbeiten waren zunächst informell geprägt. In den Jahren 2005/06 finden sich erste Ansätze der Konkreten Malerei, die sich in den darauffolgenden Jahren hin zu rhythmisierten Strichreihungen entwickelten. Seitdem arbeitet er mit verschiedenen reduzierten Strichelementen, die in einer eigenen Formensprache auf Takt, Rhythmus, Modulation und Variation basieren.
Über die Werke
Andreas Bayer zur Ausstellung im Landtag des Saarlandes 2013
Nikola Dimitrov
FarbRäume - Komposition und Struktur
In Analogie zu musikalischen Strukturen entfalten sich die Bildwelten von Nikola Dimitrov als Überlagerungen und Durchdringungen verschiedener
reduzierter Einzelelemente, die in der Gesamtwahrnehmung der Malerei auf visueller Ebene einen vielfältigen Klang erzeugen, der auf Takt, Rhythmus,
Modulation und Variation basiert.
Die Arbeiten auf Papier und Leinwand beziehen sich vielfach auf bestehende musikalische Kompositionen, und transpornieren das akustische Erleben
in eine aufregende anschauliche Situation. Obschon überwiegend formal sehr diszipliniert, zeigen die Malereien und Papierarbeiten impulsiv-emotionale Werte,
die den Bildgedanken formen und Ausdruckswerte herstellen, die unmittelbar an musikalische Situationen denken lassen.
„Als Maler und Pianist“, so Nikola Dimitrov, „interessiert mich das Wechselspiel zwischen Musik und Malerei. In meinen Arbeiten versuche ich die Musik
mit einer bildnerischen Sprache sichtbar zu machen.“
In seinen grenzgängerischen Arbeiten „zwischen“ den Künsten vereint der Künstler gestalterische Kompetenzen sowohl in der auditiv-musikalischen
Aussage und Interpretation als auch in der visuell-malerischen Komposition.
Überblickt man die künstlerische Entwicklung von Nikola Dimitrov, so lässt sich, grob skizzierend, mit den ab dem Jahr 2007 entstehenden Arbeiten
eine formale Disziplinierung feststellen. Der irrational-gestische Aspekt wird zugunsten einer ausgeprägten struktiven Ordnung der Bildelemente reduziert.
Dies vermittelt sich anschaulich etwa in der Bild-Serie der seit 2008 entstehenden „Synapsen“, in denen die synästhetische Verschmelzung von musikalischem
Erlebnis und malerischer Umsetzung in bildlicher Form vollzogen wird. Indem in den Arbeiten Nikola Dimitrovs immer auch eine nachvollziehbare Emotionalität
und seelische Ausdrucksqualität präsent bleibt, grenzen sie sich von den im Nikola Dimitrov FarbRäume – Komposition und Struktur Wesentlichen auf
mathematisch-geometrischen Grundlagen beruhenden Anliegen der Konkreten Kunst deutlich ab. Wo die Konkrete Kunst einen rational geprägten,
wissenschaftlichanalytischen Ansatz verfolgt, der nichts in unserer materiellen Realität Vorhandenes abstrahiert, sondern Geistiges materialisieren möchte,
integriert Nikola Dimitrov musikalische und z.T. auch literarische Vorgaben in seine Malerei und generiert so eine atmosphärisch gestimmte Inhaltlichkeit,
die bisweilen zwar semantisch gesteuert ist, jedoch innerhalb der sinnlichen Rezeption letztendlich nicht fixierbar wird.
Die in den „Synapsen“ entwickelte Struktur wird weiterentwickelt und fortgeführt in vielgestaltigen Kompositionen, die insbesondere ab 2011 jene
vibrierende Bildgestalt zeigen, die für unterschiedliche Werkserien prägend bleibt. Unabhängig davon, ob mit Buntfarben oder mit Schwarz- und
Grautönen gearbeitet wird, lotet Nikola Dimitrov in seinen Arbeiten Variationspotenziale von formal nahezu identischen Gestaltungselementen aus.
Dabei sind vorrangig zwei Kompositionsprinzipien zu benennen: die Zeilenstruktur und das Rastersystem.
Mit dem Pinsel getupfte Einheiten ergeben rhythmische Strichsequenzen oder Farbbalken gleicher Größe, die sich in horizontal übereinander
gebauten „Zeilen“ erstrecken – eine grafische Notation jenseits der üblichen Notenschrift.
Innerhalb der Zeile scheint zunächst eine einheitliche Rhythmik ausgebildet – Farbbalken, die oft in nahezu einheitlichen Abständen zueinander gesetzt
werden, die dann überlagert werden von weiteren Setzungen. In diese Struktur können Schrägen in unterschiedlicher Winkelhaltung eingebracht werden,
die die Zeilen überfangen und deren Stellung zueinander im Gesamtgefüge übergreifende Strukturen schaffen. Aus Diagonalen und Schrägen
werden – bei weitsichtiger Betrachtung – ondulierende Züge oder Schwünge. Möchte man dann dieses Phänomen genauer untersuchen,
entzieht es sich, da die Mikrostruktur deutlich wird und die Wahrnehmung des Phänomens dem Erkennen der Struktur weicht.
Eine andere Situation zeigt sich in den quadratischen Rastersystemen, die gliedernd von der Mikrostruktur der Malerei hervorgebracht werden.
Nikola Dimitrov legt dieses Rastersystem in horizontalen und vertikalen Farbbalkenspuren an, die Farbdichte variiert hierbei innerhalb des
einzelnen Pinselstrichs, so dass bereits in der hinteren Farbschicht ein hoher gestalterischer Variationsreichtum entsteht.
Es werden hier nicht mathematisch exakte parallele Abstände angestrebt, sondern eine spontane freihändige Setzung, die zu einer
lebendig atmenden Erscheinung führt.
Beide Kompositionsprinzipien finden ihre Anwendung in dem 2012 entstandenen Zyklus „Verklärte Nacht“, der insgesamt 19 Bildtransformationen
nach der Musik von Arnold Schönberg und dem Gedicht von Richard Dehmel aus „Weib und Welt“ umfasst. Dehmels Gedicht kreist um das schuldhafte
Vergehen einer Frau, die einen Mann liebt, aber das Kind eines anderen trägt, was Schönberg zu einem 1902 uraufgeführten einsätzigen Stück
in fünf Abschnitten inspirierte.
Nikola Dimitrov visualisiert hier beides – die Musik Schönbergs und die Dichtung Dehmels in der ihm eigenen unabbildenden
assoziativ - hochatmosphärischen Weise als Bildtransformationen.
Auch hier sind wieder die systemischen Konstanten erkennbar, die Zeilen- und Rasterstruktur. Hier sind aber die systemübergreifenden Aspekte
als in besonderem Maße hervortretend zu benennen, die, bei weitsichtiger Betrachtung, die Grundstruktur überformen. An den Schnittstellen der
Linienelemente kommt es zu koloristischen Verdichtungen, die Linienzüge ausbilden, ohne dass diese Linien tatsächlich gezogen worden sind.
Es sind vielmehr mittelbare Hervorbringungen, die sich aus dem kompositionellen Verfahren heraus entwickeln. Bisweilen entsteht so ein fast
ornamental zu nennender, vibrierender Reichtum, eine nahezu organisch anmutende Bildsituation.
Die filigran-transparente Bildanlage wird ab 2012 ergänzt durch breitere Balkensequenzen, ebenso durch deutlichere Kontrastwerte der eingesetzten
Farben in Grau, Rot, Gelb und Schwarz, sodass im Gegensatz zur früheren, homogeneren Farbgestalt ein neues Spannungsverhältnis formuliert wird.
Dies wird anschaulich in der Serie der „KlangRäume“.
Im „Klangraum I, Nr. 14“ ist das schwarz und weiß alternierende Zeilensytem hinterlegt von die Zeilen übergreifenden, breiten rottonigen Bahnen,
die einen asynchronen Rhythmus setzen und die Strenge der Schwarz-Weiß-Alternierung konterkarieren. Ähnlich im „KlangRaum I, Nr.1“, bei dem die
Zeilenstruktur hinterfangen wird von Farbbalken in Gelb und Grau und so ein Durchdringungsverhältnis verschiedener rhythmischer Strukturen hergestellt wird.
Die „KlangRäume“, die Nikola Dimitrov in seiner Malerei entwirft, können als assoziativ bestimmte Suggestionsräume verstanden werden, in denen
malerischer und musikalischer Ausdruck zusammengeführt werden.
In seiner rauminstallativen Arbeit für den saarländischen Landtag reagiert Nikola Dimitrov auf die besondere Raumsituation, die eine
klassische Hängung von Malerei erschwert, sodass der Künstler drei „Bildtürme“ als auf die Proportionen und das Volumen des Raumes bezogene,
malerisch-skulpturale Konzeptionen entwickelt.
Die in unterschiedlicher Dimensionierung ausgeführten Türme sind in den Grundfarben – Rot, Gelb, Blau – gehalten und setzen sich aus je
fünf Bildleinwänden zusammen, vier Seitenächen und eine Deckenfläche. Diese Elemente werden so platziert, dass sie dialogisch miteinander
wirken und zugleich in einem wechselseitigen Impulsverhältnis zu den weiteren ausgestellten Arbeiten stehen. Trotz der großformatigen
Dimension der Türme entsteht nicht der Eindruck der bedrängenden Massivität, vielmehr erfolgt durch die seriell aufgetragenen Strukturen
aus überlagernden Strichreihungen eine Hinterlichtung im Bildgrund und hierdurch eine Entschwerung der Masse bei annähernd gleicher Farbintensität.
Mit der Wahl von Grundfarben ist ein gestalterischer Nukleus definiert, der in Bezug zu den übrigen gezeigten Werken gesetzt werden kann.
Der Besucher steht nicht lediglich vor Bildern, sondern befindet sich ein seiner räumlichen Eigenbewegung in einer besonderen Form der Interaktion.
Nikola Dimitrov und die Stadt Völklingen
Karl-Heinz Schäffer, VHS-Direktor und Fachdienstleiter Kultur der Stadt Völklingen lud Nikola Dimitrov im Jahr 2000 zu einem Projekt ein, das Kunst unter Einbeziehung der Bürger und der Stadtteile in den öffentlichen Raum verlagert. Mit einem spannenden Kulturprogramm wurde das Projekt Völklinger Plätze Kunst ins Leben gerufen, zu dem Henner Wittling, Arbeitsdirektor Saarstahl AG in dem Vorwort zu Das Projekt in der Publikation Nikola Dimitrov Völklinger Plätze Kunst schreibt:
Nikola Dimitrov, Deckbild Völklinger Plätze Kunst, 9-teilig, 320 x 300 cm, Acryl auf Leinwand
Die spannende Berührung von Kunst und Alltag
Von der Stadt Völklingen beauftragt, ein künstlerisches Porträt der Stadt zu schaffen, begann Nikola Dimitrov im Juli 2000
eine intensive kreative Auseinandersetzung mit der alten Hüttenstadt und ihrer von Spannungen und Kontrasten bestimmten Realität.
In seiner abstrakten Bildersprache sollte Dimitrov die divergierenden Ansichten der Stadt zu einem fassettenreichen Spiegel
zusammenfügen: die Gegensätze zwischen dörflichen Stadtteilen und dem Zentrum, zwischen Natur und Industrie, zwischen Alt
und Neu, zwischen Aufbruch und Stagnation.
Von der Bestandsaufnahme mit dem Auge des Künstlers versprach man sich eine ebenso unvoreingenommene wie rückhaltlose
Darstellung der inneren und äußeren Befindlichkeit der Stadt. Erklärtes Ziel war es dabei, die Kunst im öffentlichen Raum
anzusiedeln - und zwar nicht nur in ihrem Endergebnis, sondern auch in ihrer Entstehung.
Das Konzept entwickelte der Leiter des Kulturamtes der Stadt, Karl-Heinz Schäffner. Er wollte mehr als Kunst zum Anfassen.
Ein an Kunst nicht interessiertes Publikum wollte er mit einem abstrakten malerischen Abbild seiner Umwelt außerhalb des
elitären Rahmens der Museen konfrontieren.
Nachdenken, Fragen, Meinungsbildung sollten angeregt werden, die Vorstellungen von Kunst hinterfragt, aber auch der Blick
für die Wahrnehmung des Lebensumfeldes geschärft werden. Bewusstsein sollte entstehen für das Typische, das Schöne und Sehenswerte,
das Abstoßende und Deformierte. Aus der Teilnahme sollte Teilhabe entstehen: an der möglichen Veränderung, am Entwerfen neuer
Perspektiven, an der Schaffung einer zukunftsorientierten Identität.
Der ausdrückliche Wunsch der Stadtteile war es, ein Gesamtbild der Stadt zu schaffen und damit Brücken zu schlagen zwischen
der Kernstadt und ihrer Peripherie, zwischen den sich fremden Stadtteilen, zwischen den Verantwortlichen und den Bürgern.
Dahinter stand der Wille zur Entdeckung einer gemeinsamen, die unterschiedlichen Interessen vereinenden Erfahrung.
Nikola Dimitrov, Völklinger Plätze Kunst: City-Fürstenhausen, Fenne, Hermann-Röchling-Höhe, City-Lauterbach, je 200 x 100 cm, Acryl auf Leinwand
Maler und Publikum auf einer gemeinsamen Erkundungsreise
In dem auf drei Jahre angelegten Projekt gab es Phasen intensiven Kennenlernens der Stadt und ihrer Menschen: Vom 3. bis
zum 14. Juli 2000 und vom 2. bis zum 13. Juli 2001 arbeitete Dimitrov vormittags an ausgesuchten Plätzen in der Öffentlichkeit
und nachmittags in einem von der Stadt bereit gestellten Atelier in der Fußgängerzone der Innenstadt. Er besuchte und erwanderte
die Örtlichkeiten, sog ihre Ausstrahlung in sich auf, ließ ihre Atmosphäre bei Tag und in der Nacht auf sich wirken.
Es gab vielschichtige Kontakte zu den politischen Vertretern der Stadtteile, zu lokalen Vereinen und Interessengemeinschaften,
die bereitwillig bei Vorbereitung und Umsetzung des Projektes mitwirkten. Und vor allem gab es viele ungezwungene,
das Projekt bereichernde Begegnungen.
In den ersten beiden Jahren entstanden dabei zahlreiche Skizzen, eine umfangreiche fotografische Dokumentation und als
künstlerische Essenz 36 Bilder im Format 200 x 100 cm sowie ein Großgemälde im Format 320 x 300 cm. In zwei Ausstellungen
im Neuen Rathaus wurden die Ergebnisse der malerischen Auseinandersetzung einem breiten Publikum vorgestellt.
Im dritten Jahr gingen die Bilder in mehreren Ausstellungen zurück in die Stadtteile, um erneut die Bürger, die Vereine und
Initiativen sowie die politisch Aktiven in Orts- und Stadtrat und Parteien an dem Prozess der künstlerischen Wahrnehmung und
Darstellung der Stadt zu beteiligen. Gezeigt wurden die Bilder in Hallen, Banken, dem Klärwerk der Stadt, in christlichen
Kirchen und auch in der Moschee der türkischen Mitbürger.
Überall entspann sich in einer offenen Atmosphäre eine rege Diskussion über die künstlerischen Intentionen, die gewählten
Techniken und die Bearbeitung der Motive. Bei diesem erneuten Dialog zwischen Bevölkerung und Künstler zeigte sich, dass
es durchaus Aufnahmebereitschaft gab und ein Lernprozess stattgefunden hatte. Das Projekt hatte also einen fruchtbaren
Boden für weitere Aktionen bereitet.
Für alle Beteiligten war es ein Experiment mit vielen Ungewissheiten und außerordentlichem Reiz, befrachtet mit hohen
Erwartungen und reichlich Skepsis. Es erwies sich als ein gelungener Anfang, der zu weiteren Schritten auf dem Weg zu
einer öffentlichen, bürgernahen Themen-Kunst ermutigt.
Fotogalerie
Nikola Dimitrov, KlangRaum I, 2013, Pigmente, Bindemittel, Lösungsmittel auf Leinwand, 180 × 170 cm
Nikola Dimitrov, Komposition II, 2012, Pigmente, Bindemittel, Lösungsmittel auf Leinwand, 190 × 135 cm
Nikola Dimitrov, Nocturne III, 2012, Pigmente, Bindemittel, Lösungsmittel auf Leinwand, 140 × 220 cm
Nikola Dimitrov, Komposition IV, 2014, Pigmente, Bindemittel, Lösungsmittel auf Leinwand, 165 × 125 cm